Gastbeitrag: Bernhards Beinahe-Tauchunfall

Gastbeitrag von Bernhard, den ich euch nicht vorenthalten möchte:

Vor ein paar Tagen fuhr ich mit einem Freund zum Tauchen an einen tiefen See. Da bei uns im Umkreis nur relativ flache Seen zu betauchen sind, freuten wir uns schon seit Wochen darauf endlich wieder tiefe Tauchgänge durchführen zu können. Nicht, dass wir heiß auf Tiefe sind und unbedingt Rekorde brechen müssten, aber es ist dann doch etwas besonderes, wenn  man 1-2 mal im Jahr mal zwischen 30-40 Metern Tiefe erreicht.

Da ich kein Anfänger bin und durchaus Respekt vor der Tiefe in Verbindung mit den winterlichen Temperaturen habe, bereite ich mich auf diese Tauchgänge immer gut vor, so dass möglichst wenig passieren kann. Zumindest habe ich das bis zu diesem Tauchgang gedacht. Aber auch aus diesem Tauchgang habe ich wieder einiges gelernt, das ich verbessern kann und das vielleicht anderen Tauchern hilft ähnliche Situationen zu vermeiden oder zumindest besser darauf vorbereitet zu sein. 

D7-300 bar. Die schwarzen Handräder sperren die Brücke, die roten jeweils die Abgänge

D7-300 bar. Die schwarzen Handräder sperren die Brücke, die roten jeweils die Abgänge. Der Ventilkorb war bei diesem Tauchgang allerdings nicht montiert.

Getaucht bin ich mit folgender Konfiguration:

Doppel-7-Liter, 300 bar mit gesperrter Brücke. Hier sei erwähnt, dass ich als Doppelgerät immer zwei Mono-7-Liter-Flaschen zusammenmontiere und sich dann dazwischen eine Brücke mit einem weiteren Abgang für einen Lungenautomaten befindet (siehe Foto). Diesen zusätzlichen Abgang nutze ich selten, er ist aber praktisch, um die Flaschen zu demontieren ohne aus mindestens einer Flasche die Luft komplett ablassen zu müssen, da ich über den Abgang die Brücke luftlos machen kann, da das Handrad an diesem Abgang nicht die Brücke sperrt, sondern nur den erwähnten Abgang. Die Brücke an sich wird über jeweils ein Ventil an jeder Flasche gesperrt. Ist also eins der Ventile, die den Abgang der Flasche zur Brücke hin schließt, geschlossen, kann keine Luft mehr von einer Flasche in die andere überströmen und ich tauche mit zwei unabhängigen Flaschen. Dies war auch bei diesem Tauchgang der Fall, damit ich – falls ein Lungenautomat vereist – nur maximal den Luftvorrat einer Flasche verliere und nicht den Inhalt beider Flaschen, falls aus irgendeinem Grund die Brücke oder der abblasende Abgang nicht mehr geschlossen werden kann. Gefüllt waren die Flaschen mit Luft. An jeder Flasche hing ein Lungenautomat. Rechts: Poseidon XStream, links Poseidon Cyklon 5000.

Mein Tauchpartner tauchte diese Konfiguration:

Mono-12-Liter, 200 bar mit zwei Lungenautomaten (komplett inkl. erste Stufen). Hauptatemregler: Poseidon XStream; Reserveatemregler: Poseidon Cyklon 5000


 Tauchplan:

Geplant haben wir einen Tauchgang bis maximal 40 Metern Tiefe mit einem kurzen Stop auf dem Hinweg in 25 Metern Tiefe, da es dort etwas zu sehen gab und dieser Punkt sich gut zur Orientierung anbot. Dies würde nicht der erste Tauchgang in dieser Tiefe für uns werden.

Mein Tauchpartner atmet komplett aus seinem primären Atemregler, der Reserve-Regler hängt am Jacket. Ich plane zunächst aus meinem rechten Automaten zu atmen bis dort nur noch 100 bar in der Flasche sind, um dann auf den zweiten Automaten zu wechseln, so dass ich, falls dieser vereist noch 100 bar zum Austauchen zur Verfügung habe.

Briefing:

Da wir regelmäßig zusammen tauchen, kannte ich die Tauchausrüstung meines Tauchpartners und hätte sie blind bedienen können. Selbiges galt umgekehrt mit der Ausnahme, dass ich abweichend von “normalen” Tauchgängen ein D7-Gerät auf dem Rücken hatte. Daher erklärte ich meinem Tauchpartner kurz wofür welches Ventil genutzt wird. Briefings mit bekannten Tauchpartnern fallen – wie die meisten Taucher wissen – in der Regel etwas kürzer aus, was sich bei diesem Tauchgang rächen sollte.

 Verlauf des Tauchgangs:

Wir tauchten zügig auf 25 Meter ab und hielten uns dort ca. 5 Minuten auf. Von dort aus ging es mit neuem Kurs in Richtung 40 Metern Tiefe. Bis dorthin verlief alles ohne Probleme. Nachdem wir einige Zeit in 38 Metern Tiefe unterwegs waren, näherte sich meine erste Flasche der 100 bar-Grenze und ich wechselte auf meinen zweiten Lungenautomaten. Nach einigen Atemzügen begann meine zweite Stufe zu blubbern. Ich nahm sie aus dem Mund und steckte sie wieder in den Mund. Nach wiederum einigen Atemzügen schossen mir dann die Blasen aus der zweiten Stufe nur so entgegen – der Automat war offensichtlich vereist. Ein Atmen aus diesem Automaten war noch möglich – natürlich nicht so komfortabel wie bisher. Daher behielt ich die abblasende zweite Stufe im Mund und machte meinen Tauchpartner auf die Situation aufmerksam und bat ihn mit Handzeichen meinen linken Automaten abzusperren. Zu dem Zeitpunkt war ich noch recht ruhig, da ich noch Luft in der rechten Flasche hatte und nur der linke Lungenautomat vereist war – wobei ich natürlich noch ruhiger gewesen wäre, wenn kein Problem aufgetreten wäre. Ebenso war ich mir sicher, dass mein Tauchpartner nur den linken Abgang absperren musste, damit wir danach in Ruhe austauchen konnten und ich ggf. von der linken in die rechte Flasche Luft nachströmen lassen konnte, falls die 100 bar in der rechten Flasche zu knapp werden würden.


Mein Tauchpartner brauchte eine Weile, um zu begreifen was passiert war – in der Tiefe denkt man langsamer. Danach begab er sich hinter mich, um den Automaten abzusperren. Wie lange von nun an alles dauerte, kann man im Nachhinein schlecht beurteilen. Allerdings dauerte mir der Vorgang deutlich zu lange und es strömte noch immer Luft aus meiner zweiten Stufe. Ich signalisierte ihm, dass ich aufsteigen möchte, um in flacheren Tiefen Luft zu sparen, die ich im Augenblick in der Tiefe nur unnötig verbrauchte. Erst an der Oberfläche erfuhr ich hinterher, dass er nicht das linke rote Handrad (siehe Foto oben) zu schließen versucht hat, sondern versuchte das linke schwarze Handrad zu schließen, das war jedoch zu dem Zeitpunkt geschlossen, um die Flaschen von einander zu trennen. Mehrmals signalisierte ich ihm, dass er das linke rote Ventil schließen müsse – was schlussendlich auch gelang, jedoch sehr lange dauerte und der zeitliche Verlauf nicht gerade zur Entspannung beitrug.

Wir tauchten dann auf, wobei wir noch einiges an Deko zu absolvieren hatten – zumindest nach meinem sehr konservativ eingestellten Computer (ich stelle ihn immer auf maximale Belastung, man weiß ja nie wie viel Stress man unter Wasser bekommt). Mein Tauchpartner atmete weiterhin aus seinem ersten Automaten, ich aus meiner rechten Flasche, die theoretisch noch für den Aufstieg reichen musste. Wie so oft weichen Theorie und Praxis voneinander ab, so dass ich in 6 Metern Tiefe die Flasche leer hatte. Ich signalisierte dies meinem Tauchpartner und er wollte mir seinen zweiten Automaten geben. Allerdings hing dieser am Jacket und konnte nicht schnell genug gereicht werden, so dass er mir dann seinen Automaten aus dem Mund reichte und sich selbst seinen Reserveautomaten vom Jacket löste. Nun hatten wir noch einige Minuten Deko vor uns und auch mein Tauchpartner konnte nicht mehr viel Luft in seiner Flasche haben. Ich jedoch hatte noch ausreichend Luft in meiner linken Flasche. Das wusste ich, konnte es aber am Finimeter nicht mehr ablesen, da der Abgang abgesperrt war. Um nicht erneut ein Vereisen des linken Lungenautomaten zu riskieren, signalisierte ich meinem Tauchpartner, dass er die beiden schwarzen Ventile öffnen sollte, um die Luft aus der linken Flasche auch meinem rechten Atemregler zur Verfügung zu stellen. Schlussendlich gelang dies und mein Tauchpartner konnte tatsächlich mit seiner letzten Luft seine Deko beenden. Ich atmete dann weiter mit meiner Luft während er die letzten drei Meter aufstieg, da sein Computer bereits die Deko für beendet erklärte. Mein Computer (konservativ eingestellt) zeigte mir noch einige Minuten Deko an, die ich mit meiner Luft dann auch ruhig beenden konnte. 

Abschließend kann ich sagen, dass wir trotz guter Vorbereitung einfach auch eine Menge Glück gehabt haben. Ich habe zu keiner Zeit damit gerechnet, dass wir die Oberfläche nicht mehr erreichen würden. Jedoch habe ich die Möglichkeit in einem Rettungswagen zu landen schon fest im Hinterkopf gehabt.

Was ich daraus gelernt habe:

  1. Selbst an die Ventile kommen: Bei dem Tauchgang bat ich meinen Tauchpartner mein Ventil zu schließen. Bei meinem Doppelgerät bin ich jedoch selbst in der Lage an die Ventile (zumindest an die seitlichen Ventile) zu gelangen und diese abzusperren. Ich habe allerdings in der Tiefe (man denkt dort unten deutlich verlangsamt) schlicht und ergreifend nicht daran gedacht. Daher werde ich zukünftig bei möglichst jedem Tauchgang die Bedienung der Ventile üben, um einen Automatismus zu gewährleisten.
  2. Besseres Briefing:
    1. Dem Partner wird immer der aktuell verwendete Automat gereicht: Mir ist es eigentlich klar: Wenn mein Partner Luft von mir benötigt, bekommt er meine zweite Stufe, die in meinem Mund steckt und ich greife nach meinem Reserveautomaten. Nur so kann ich sicherstellen, dass die Luftabgabe schnell und zuverlässig für meinen Tauchpartner funktioniert.
    2. Bedienung der Ventile: Ich werde bei zukünftigen Briefings meinem Tauchpartner nicht nur meine Ausrüstung erklären, sondern ganz klar von ihm die Anweisungen wiederholen lassen, um sicher zu sein, dass er es auch verstanden hat.
  3. Ventile besser beschriften: An anderen Tauchflaschen habe ich bereits Zahlen an die Ventile geklebt, um eindeutig zu kennzeichnen welches Rad welchen Abgang bedient. Beim oben getauchten D7 hatte ich dies noch nicht. Das werde ich nun nachholen, damit im Fall der Fälle der Tauchpartner lesen kann welches Rad er drehen muss.
  4. Backup-Tauchcomputer: Mein Tauchcomputer ist konservativ eingestellt, daher hat meine Deko dann auch deutlich länger gedauert als die meines Tauchpartners. Ein deutlich besseres Gefühl wäre es gewesen, wenn ich parallel eine nicht so konservative Deko angezeigt bekommen hätte, um eine Sicherheit zu haben, dass ich die Mindestdeko schon abgeleistet habe – unabhängig davon, dass ich möglichst die konservative Deko durchführe, um auf der sicheren Seite zu sein. Daher werde ich wohl einen zweiten Tauchcomputer zu tiefen Tauchgängen mitnehmen und diesen nicht so konservativ einstellen.
  5. Aufstieg frühzeitig einleiten: Zukünftig werde ich versuchen während der Problemlösung bereits den Aufstieg einzuleiten, um Luft zu sparen. In 40 Metern Tiefe verbrauche ich die doppelte Luftmenge wie in 15 Metern Tiefe. Da kommt dann schon etwas zusammen. Beim Briefing werde ich dem Partner das auch mitteilen, dass ich so vorgehen möchte, so dass wir dann beide kontrolliert aufsteigen können. Abgebrochen werden muss der Tauchgang bei einem solchen Problem eh.
  6. Flaschen gleichmäßig leer atmen: Zukünftig werde ich die Flaschen gleichmäßig leer atmen und nicht erst die eine deutlich mehr leeren als die andere. Ich werde alle 50 bar den Lungenautomaten wechseln, initial nach 25 bar. So dass der Druckunterschied in den Flaschen höchstens 50 bar betragen kann. Darüber hinaus hat diese Methode den Vorteil, dass Probleme mit dem Lungenautomaten viel früher festgestellt werden können – wenn das Probeatmen an Land keinen Fehler gezeigt hat.
  7. Üben aus dem Jacket zu atmen: Als meine Flasche leer war, habe ich darüber nachgedacht zunächst mal Wechselatmung in mein Jacket durchzuführen. Auch das werde ich hin und wieder mal üben und vor allem regelmäßig dafür sorgen, dass ich mein Jacket von innen reinige, damit die Überwindung durch Ekel geringer ist.
  8. Reserve so berechnen, dass sie für den Partner mitreicht: Für zukünftige Tauchgänge werde ich die Reserve großzügiger planen. Ich werde davon ausgehen, dass meine verbleibende Luft einen Aufstieg von mir und meinem Partner unter Stress und damit mit deutlich erhöhtem Atemminutenvolumen gewährleistet. Ggf. muss ich dazu eine Stage mitführen.
  9. Solokompetenz verbessern: Ich werde mich intensiver mit dem Ausbau meiner Solokompetenz beschäftigen und beispielsweise Bücher wie “Höhlentauchen: Solo, sachkundig, sicher” lesen. Nicht, um wirklich solo zu tauchen, jedoch, um Probleme allein lösen zu können und unabhängiger vom Tauchpartner zu sein. Ebenso werde ich mir mal das Buch “Grenzbereiche meistern durch mentale Stärke” anschauen, um geistig fitter zu sein.
  10. Ventilkonfiguration anpassen: Ich werde meine Ventile am Doppelpack den DIR-Richtlinien anpassen.

Ich hoffe dieser Bericht von Bernhard kann dazu beitragen, dass ihr zukünftig noch sicherer taucht und eine solche Situation vermeiden könnt.

Weitere Berichte zu Tauchunfällen findet ihr in meiner Rubrik Tauchunfälle.

 

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